Archiv für das Jahr: 2011

Bürgerengagement unter Finanzierungsvorbehalt

Einsatzfreudige Bürgerinnen und Bürger sind bei festlichen Sonntagsreden immer ein beliebter Anlass für höchstes Lob und Anerkennung.

Der Bundespräsident hat jüngst dazu mit der honorigen BertelsmannStiftung sogar medienwirksam aufgerufen, sich für das Gemeinwohl zu engagieren.

„Schön und gut“ sagen auch die 18 angeschlossenen Stadtteilvereine in der Freiburger Arbeitsgemeinschaft der Bürgerverein (AFB) zu diesem hehren Ansinnen der politischen Repräsentanz unseres Gemeinwesens. Und in Freiburg durften wir dieses Lob auch in der Neujahrsrede von Oberbürgermeister und Chef der Stadtverwaltung öffentlich hören.

Nun stehen in Freiburg große Ereignisse an, deren finanzielle Auswirkungen bereits jetzt schon ans Tageslicht kommen; wir reden nicht von den 300. 000 Euro die der Finanzbürgermeister schon mal für den eineinhalbtägigen Besuch eines Kirchenoberhauptes im September im städtischen Haushalt „auf Vorrat eingeplant“ hat. Die AFB war gebeten worden mit einem „Markt der Möglichkeiten“ am 9. Juli 2011 auf dem Rathausplatz unseren öffentlichen Beitrag zum Europäischen Freiwilligenjahr zu gestalten. Im Rahmen der Beratungen des Haushaltes haben die Fraktionen des Gemeinderates darüber beraten – die Folge war eine überraschend negative Antwort von der Stabsstelle Bürgerschaftliches Engagement aus dem Dezernat III.

So schreibt der Leiter, Gerhard Rieger dieser Tage an die AFB: „Sehr geehrte Engagementförderinnen und -förderer, aufgrund des engen finanziellen Kommunalhaushalts für die Jahre 2011/2012 haben gestern Abend Vertreter/innen des Gemeinderates im Rahmen einer Vorabstimmung zum laufenden Haushalt entschieden, für den „Markt der Möglichkeiten“ keine finanziellen Mittel bereitzustellen.“

So sieht also eine Absage knapp zwei Monate vor der geplanten Präsentation der AFB- Bürgervereine aus. Und da eine solche öffentliche Veranstaltung mit Kosten verbunden ist und Sponsoren nicht zu finden sind, „muß ich auf die Organisation des Marktes verzichten“, so der Leiter der städtischen Stabstelle fürs Ehrenamt. Dass die AFB- Bürgervereine nun auch noch diese –für sie als Ehrenamtliche- Kosten für Informationsstände, Materialien und ein Info-Zelt auf dem Rathausplatz selbst bewältigen sollen, stößt auf keine Gegenliebe.

Bemerkenswert ist, dass gleichzeitig die Stadtverwaltung bemüht ist, die gleichen Bürgervereine dafür zu gewinnen die zeitaufwändige Erstellung (Mehrere Monate) von Stadtteilentwicklungsplänen (STEP) nach städtischen Vorgaben in eigener Regie zu erstellen- damit der Gemeinderat dann später diese Vorlagen in seine Beratung mit einbezieht. Grund ist, dass die bisherigen städtischen Bürgerbeteiligungen zu hohe Kosten und Arbeitsbelastung für die Bediensteten darstellten.

 

 

 

 

 

 

 

Ergo: „wer ist eigentlich für wen da?“, so einige Stimmen aus der AFB. „da werden wir aufgerufen unsere Ehrenamtsarbeit für die Bürger darzustellen und bei den Kosten kneift die Verwaltung!“ So ein Beispiel der örtlichen Prioritätensetzung der ehrenamtlichen Bürgerarbeit bei Gemeinderat und Verwaltung- und wie wird dann bei der Kulturhauptstadt entschieden….?

Uto R. Bonde AFB Pressesprecher
Stadtkurier 31.3.2011

Von oben inszeniertes Bürgerforum – ein neues Medienspektakel?

Die Bertelsmann Stiftung spricht in diesen Tagen zusammen mit dem Bundespräsidenten mit viel Aufwand Mitbürger und Mitbürgerinnen im ganzen Land per Zufallsverfahren telefonisch mit einem sogenannten Bürgerforum an und fordert zur online Mitarbeit auf. Beide glauben, dass mit den neuen Medien mehr Menschen für die drängenden politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit gewonnen werden können. Die einjährige PR- Aktion soll dann gemeinsame Lösungsvorschläge entwickeln. Es soll auf diese Weise Menschen im ganzen Land zusammenkommen, ein Gemeinschaftsgefühl schaffen und Demokratie erlebbar machen. Dies verspricht der Prospekt des Bürgerforums von Medienmachern und Politgrößen. Dabei vergessen die Veranstalter, dass es bisher auch schon viele Mitbürgerinnen und Mitbürger gibt, die sich uneigennützig und ohne (parteipolitische Absichten) Parteipolitik in den Bürgervereinen engagieren. Da sind Vorsitzende und Vorstandsmitglieder in den einzelnen Stadtteilen, die die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Interessen der Stadtteile z.T. schon über Jahrzehnte engagiert verfolgen und auch kontinuierlich vertreten. Also Menschen, die bekannt sind und sich oft über längere Zeiten verantwortlich beteiligen, sich auskennen und die wissen wo bei der Bevölkerung der Schuh drückt. Gerade dort wäre das richtige und letztlich erfolgversprechende Scharnier von Verwaltung zum Bürger; aber was nützt es wenn man diese eigenständig organisierte Beteiligung auf Dauer gar nicht gewollt ist? Der Verwaltung scheint es am liebsten, wenn alle diese Leute am Bildschirm, testweise abstimmen, um dann das Ergebnis nach Belieben verwenden zu können. Nur, Diskussionen in der Anonymität des Internets auf Online-Plattformen bringen leider nur sehr wenig, denn gute (gesichtslose) Ratschläge wie man alles nur besser machen kann, gibt es in unserem Land leider nur zu viele.  Nur auf der Basis von Kontinuität und Vertrauen, aber auch von Achtung und Anerkennung sind in Zukunft wieder mehr Bürgerinnen und Bürger bereit sich für unsere Gemeinschaft zu engagieren. Unser gesellschaftliches Leben findet auch in Zukunft nicht im Internet statt, sondern im direkten Kontakt von Mensch zu Menschen. Eben diese Basis geht manchen Politikern mit der Zeit verloren, es ist lästig und mit viel Zeit verbunden und wird vordergründig nur vor Wahlen aktiviert. Dort will man dann den Bürger Ernst nehmen? Neue Konzepte braucht das Land nicht für die Bürger, sondern für Politik und Verwaltung.

Uto R. Bonde  AFB Pressesprecher
Stadtkurier März 2011

Bauen in Freiburg

Schaut man als Tourist auf die Homepage von Freiburg, bekommt man eine Fotoschau zu sehen mit Bildern vom Münster und den beiden alten Stadttoren, dem Augustinerplatz, der Grünwälderstraße, dem Stadtgarten und natürlich unseren Bächle. Freiburg wirbt mit „seinen unzähligen Grün- und Parkanlagen, in denen man immer wieder zur Ruhe kommen kann, der Natur und dem besonderen Flair unserer kleinen Großstadt.“ Nicht zu sehen sind die Bausünden der vergangenen Jahre wie beispielsweise der „Komturm“ oder der „Karlsklotz“. Zu Recht, denn damit lockt man keinen Touristen und erst recht keine Neubürger nach Freiburg. Freiburg lebt in der Tat von seiner reizvollen Altstadt und dem besonderen Flair, dem Touch, der einer südländischen Stadt nahe kommt. Daher wundert es nicht, wenn der Bevölkerungsanteil entgegen der Prognosen wächst und es viele Menschen – vor allem ältere – nach Freiburg zieht. Dies wird zum Anlass genommen nach weiteren Standorten für die Bebauung Ausschau zu halten. Sicher ist es dabei sinnvoller, eine Innenentwicklung, also bestehende Potentiale zu nutzen, als die grünen Außenbereiche zuzubauen. Was des einen Freud, ist des anderen oft genug Leid, vor allem der Nachbarn, die die Nachverdichtungen vor ihren Haustüren erfahren und aushalten müssen. Hier ist Sensibilität und Fingerspitzengefühl gefragt, vor allem, wenn es nach Größe und Art der Bebauung geht. Beides setzt voraus, dass nicht nach Großherrenmanier agiert wird, sondern die Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot der Planung genommen werden, allerdings nicht erst, wenn die Pläne fix und fertig und damit nicht mehr veränderbar vorliegen. Wir brauchen also eine Kultur der Kommunikation und Beteiligung.

Das ist auch das Anliegen der Freiburger Bürgervereine. Seit Jahren wird von den Bürgervereinen moniert, dass sie, – außer bei Bebauungsplänen -, nicht mehr über Bauvorhaben informiert werden. Als Argument wird von Seiten der Stadt der Datenschutz angeführt. Dieser greift aber nur, wenn es um Innenaufteilung geht. Das Gebäude selbst, das, was dem Betrachter von außen täglich zugemutet wird, ist für einen Stadtteil von Interesse und sollte im Zuge des Gemeinwohls im Vorfeld öffentlich gemacht werden. Die Gründung vieler Bürgervereine beruht übrigens auf der Tatsache, dass sich die Bürgerinnen und Bürger bereits vor hundert Jahren gegen „unsägliche Bebauungen“ zur Wehr setzen mussten, was heute noch genauso aktuell ist wie damals. Bezeichnend ist auch, dass mancher Bauträger sich weigert, mit den Bürgervereinen ins Gespräch zu kommen, weil er sich keiner „zweiten Genehmigungsinstanz aussetzen will“. Bei diesem Argument sollte man hellhörig werden, denn hier geht es in der Regel darum, möglichst viel Geld zu verdienen. Bürgervereine sind grundsätzlich keine potentiellen Gegner von Neubebauungen. Sie legen nur großen Wert darauf, dass das Gesicht und die Lebensqualität ihres gewachsenen Stadtteils erhalten bleiben. Es gibt genug Beispiele, dass dies gelingen kann, aber leider auch zu viele Beispiele, die das Gegenteil zeigen, wie die Bebauung des Parks von St. Urban in Herdern, wo keinerlei Rücksicht auf die bereits vorhandenen Gebäude, wie etwa die auf dem Gelände stehende Villa oder das Bruderhaus, genommen wird. Oder die Verdichtung im Stühlinger, wo in der Engelbergerstraße auf der ehemaligen Wiese inmitten der Universitätsgebäude, die den dort wohnenden Studenten als Treffpunkt, zur Kommunikation oder einfach der Ruhe diente, ein weiteres Studentenwohnheim platziert wurde. Die Empörung der Zähringer über den geplanten Turm auf dem Platz der ehemaligen Tankstelle in der Zähringerstraße sei hier ebenfalls erwähnt.

Zwischen der Art der Bebauung und der Anzahl freier Flächen mit dem gesellschaftlichen Miteinander, gibt es einen engen Zusammenhang. Je enger und höher gebaut wird, je mehr Flächen verloren gehen, desto schwieriger wird das Zusammenleben. Wir jammern viel über unsere Kinder und Jugendlichen, die viel zu viel und viel zu lange vor den PCs und den Fernsehern sitzen. Das, was der etwas älteren Generation als Kindern noch vergönnt war, nämlich das unbeschwerte Spiel auf der Straße, den Hinterhöfen oder unbebauten Grundstücken, ist heute nicht mehr möglich. Wenn wir unseren Kindern Bewegung verschaffen wollen, fahren wir einige Kilometer ins Grüne oder stecken sie in Vereine, wo sie Angebote konsumieren müssen, anstatt sich selbst ausprobieren und ihre Grenzen erfahren zu können. Dies gehört zu den Standardthemen in den Bürgervereinen: wo schaffen wir unseren Kindern und Jugendlichen Räume, wo sie sich unbeobachtet treffen und ihre Freizeit verbringen können. Plätze und Gelder gibt es hierfür kaum.

Es wird Zeit, dass ein Umdenken der Verantwortlichen stattfindet, welches ein ehrliches und aktives Miteinander von Bürgerinnen und Bürgern und den Planern beinhaltet. Damit kann es länger dauern, bis ein Plan reif für die Umsetzung ist, aber die Akzeptanz wäre wesentlich größer, dafür der Unmut über manche Bebauungspläne in der Bevölkerung um Vieles geringer Wenn wir dieses gute Miteinander zuwege bringen, kann es noch lange heißen: „willkommen in Freiburg im Breisgau!“

Ingrid Winkler, stellv. Vorsitzende AFB Vorsitzende Bürgerverein Herdern
Stadtkurier Januar 2011