Neujahrsempfänge sind örtliche Seismografen

Die Zeit der Neujahrsempfänge beginnt traditionell am Dreikönigstag
des neuen Jahres – diese Tradition des gemeinschaftlichen Beginnens
am Jahresanfang pflegen die Bürgervereine in Freiburg bis in die
dritte Kalenderwoche.
Alleine zehn Stadtteilvertretungen laden zu einem bürgerschaftlichen
Treffen ein und sehr viele Bürgerinnen und Bürger folgen gerne und
getreulich alle Jahre den Einladungen der Bürgervereine. So wie die
gepflegten Traditionen sich sehr voneinander unterscheiden, so sind
auch die Örtlichkeiten dieser Versammlungen sehr unterschiedlich.
Nur bei dreien können die Empfänge traditionell in Bürgerhäusern
durchgeführt werden – bei den übrigen bieten Kirchengemeinden
oder Schulen den Gästen eigene Räumlichkeiten wie Säle oder Aulen
an.
Die Neujahrsempfäng sind längst fester Bestandteil des Freiburger
Gesellschaftslebens und sie zählen zu den gefragtesten Veranstalt-
ungen, denn sie sind für die ganze Bürgerschaftl öffentlich zugäng-
lich; anders ist es bei den großen Regionaltreffen der Wirtschaft,
Verbände und Kirchenorganisationen.
Für die einladenden Vorstände ist dies zum Jahresbeginn die ausge-
sucht beste Gelegenheit für das Danke sagen an ehrenamtliche
Mitbürger für deren uneigennützigem Engagement, das sehr oft im
Stillen und ohne im Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stehen, für
das Gemeinwohl erbracht wird. Bei dieser Gelegenheit werden nicht
nur die Neujahrswünsche ausgetauscht „Alles Gute für ́s Neue“,
alte Bekannte und gute Freunde begrüßt, sondern auch intensive
Gespräche geführt. Die Themenpalette ist dabei unbeschränkt; je
nach örtlicher Brisanz oder Dramaturgie in Szene gesetzt, erheitern
oder erhitzen sie die Gemüter. Oft sind es die Gastredner, meist
prominente „Speaker“ (Sprecher –sehr wenige Sprecherinnen), die
zu anfangs den Gesprächsreigen eröffnen. Die Dezernentenrunde
Freiburgs, Oberbürgermeister und Bürgermeister(in), rotiert im
Jahreswechsel durch die Stadtteile. Sie nutzen die Gelegenheit zu
meist sehr ausführlichen (und informativen) Grußworten und nicht
allzuwenig kommt da zur Sprache nach dem Motto: „und was es
dazu noch zu sagen gibt“. Für den geschulten Zuhörer/Zuhörerin
lassen sich hin und wieder zwischen den Zeilen der gesprochenen
Worte auch „neue Trends oder Mega-Themen“ aus der Verwaltungs-
spitze vernehmen- frei nach dem Motto: Bürger höret die Signale!
Dabei sind diese Begegnungen für viele Bürger und Bürgerinnen die
seltene oder gar einzige Möglichkeit im persönlichen Gespräch mit
Politik und Verwaltung zu Wort zu kommen. Der Austausch sollte für
Amtsträger und Politik als Bürgernähe selbstverständlich sein, um
ungeschminckt Volkes Stimme persönlich zu vernehmen.
Beliebt und geschätzt ist bei den Gastrednern der persönliche Rah-
men, in dem sie mitunter auch außerhalb des Protokolls Klartext
sprechen. Aber auch die „geschätzten“ Zuhörer lauschen nicht immer
ganz still und ergeben, sie riskieren auch einmal einen kontroversen
Zwischenruf, den manch einen Sprecher daran erinnert, dass
ein Bürgerempfang eine bunt gemischte Aula bedeutet und nicht
zwingend irgendein Heimspiel ohne Konkurrenz und Widerspruch.
Nach den Redebeiträgen sind durchweg engagierte Gesprächsrunden
angesagt -oft erst wenn die Neujahrsbrezel von prominenter Hand
angeschnitten und das obligatorische Glas Sekt kredenzt wurde.
Nicht unerwähnt sollen auch die kulturellen Beiträge von Schüler-
oder Jugendgruppen und anderen Akteuren bleiben, die meist den
Empfang eröffnen. Begonnen werden diese an Sonntagen häufig
bereits am späten Vormittag oder zur abendliche Stunde, was an
Wochentagen die Regel ist. Interessant sind auch die nicht-öffentlich
behandelten Aktualitäten- die still gepflegten Tuschelthemen, die
häufig das Privatleben betreffen, über die es hier nichts zu berichten
gibt.
Zum Trost für all diejenigen, die ihren Neujahrsempfang im Stadtteil
verpasst haben, sei empfohlen: gedulden Sie sich noch runde
335 Tage, dann ist auch Ihr Besuch beim Neujahrsempfang 2015
angesagt!

Uto R. Bonde
AFB Pressesprecher

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